Autor
Prof. Mag. Karlheinz Simonitsch
Artikel erschienen in
Arnulf Thiede, Heinz-Jochen Gassel (Hrsg.): Krankenhaus der Zukunft. Heidelberg: Kaden, 2006, S. 231 – 240.
Architektur und Kunst im Wandel
Verwandlung durch Kunst und Architektur
Das Werden und Vergehen, die ständige Verwandlung der Natur im Jahreskreis und anderen zyklischen Phasen kann als grundlegendes existenzielles Muster beziehungsweise als Lebensprinzip beobachtet und nachvollzogen werden. Ebenso ist der alternierende Wechsel, die antagonistischer Bedingtheit in der Natur angelegt, wie auch der fließende Veränderungsprozess („panta rhei“) sich im Irdischen als immanent erweist.
Da diese Prinzipien durchgängig erkennbar sind, treffen sie natürlich auch das von Menschenhand Geformte, sämtliche Lebensäußerungen des Menschen und kulturelle Errungenschaften und deren Produkte – demgemäß auch den Fortgang und die epochale Entwicklung der Kunst.
Kunst, sehr oft „Spiegel der Zeit“ und Ausdruck gesellschaftlicher Gegebenheit, unterliegt nicht selten Sachzwängen, Moden, individuellen Vorlieben und seit urgedenken der Religiosität sowie wirtschaftlichen und geografischen Umständen, ist somit starken Wandlungs-Krisen ausgesetzt.
Trotz oder vor allem wegen ihrer Wandelbarkeit zeigt sich, dass Kunst Befriedigung schafft, indem sie Illusionen, die aus dem Phantasieleben stammen, artikuliert: „Wer für den Einfluß der Kunst empfänglich ist, weiß sie als Lustquelle und Liebeströstung nicht hoch genug einzuschätzen.“[1]
Ebenso unterliegt der Künstler selbst veränderbaren Mechanismen und gestaltet im kreativen Prozess Metamorphes, das in seiner Wirkung auf Veränderung zielt: „Er versteht es erstens, seine Tagträume zu bearbeiten, daß sie das allzu Persönliche, welches Fremde abstößt, verlieren und für den anderen mitgenießbar werden...Er besitzt ferner das rätselhafte Vermögen, ein bestimmtes Material zu formen, bis es zum getreuen Ebenbilde seiner Phantasievorstellungen geworden ist.“[2]
GANZHEIT UND HEILUNG
Die Störung der „Funktionseinheit“ Mensch manifestiert sich üblicherweise in unterschiedlichen Krankheitsbildern und fordert eine gezielte „Verwandlung“, ein Rück- beziehungsweise Hinführen in den angestrebten Zustand der Ganzheit – erwünscht ist Heilung.
Der dabei angestrebte „Mittelweg“, das Leben in eine sorgenfreie Balance überzuführen, erfordert ein gesamtheitliches Denken: „Diese Wege zu finden, ist nicht immer leicht. Sie sind in allen Bereichen Wege der Mitte, oft voll von scheinbaren Widersprüchen.
Gesamtheitliches Denken erfordert Offenheit...Und überall zeigt sich: nicht das Höchstmaß ist anzustreben, sondern das rechte Maß.“ [3] Es stellt sich die Frage, wie und in welchem Ausmaß dem Kranken bei seiner Wegesuche, diesem Balanceakt, geholfen werden könnte beziehungsweise welche Stütze richtig platziert eine körperlich-stabile und seelisch-geistige Ausgleichung bedingt und fördert.
Ohne die eigenverantwortliche, aktive Mitarbeit des Patienten selbst, ist die gesundheitliche Disharmonie auch bei entsprechender ärztlicher Hilfe kaum veränderbar. Die sogenannten Selbst-Heilungs-Kräfte, die sich als Ressourcen in einer positiven „Umgebung“ aktivieren, sind für die Gesundung von ähnlich großer Bedeutung, wie das adäquate medizinische Angebot und eine entsprechende Psychotherapie.
KUNST ALS HILFSMITTEL
Gering geschätzt wird vielenorts, trotz besserem Wissen, die Abhängigkeit des Menschen von seinem Umfeld. Hier im Konkreten besteht die Chance mit relativ geringem finanziellen Aufwand im Sinne der Patientenorientierung neue Wege zu beschreiten beziehungsweise schon begangene Pfade erweiternd auszutreten.
Auf den Plan gerufen ist hier die Architektur und mit ihr die Kunst, denn das Kunstwerk ermöglicht den Betrachtern „aus den eigenen, unzulänglich gewordenen Lustquellen ihres Unbewussten wiederum Trost und Linderung zu schöpfen.“ [4]
Der Kranke müsste in einem Krankenhaus nicht nur in der bisherigen Methodenvielfalt „behandelt“ werden, sondern sollte selbst „handeln“ und neue, wirksame Strategien und Lebensmöglichkeiten erlernen. Kunst könnte ihm dabei sowohl in Bezug auf die notwendige Selbsterfahrung als auch im Finden von Lösungsvarianten behilflich sein.
Kunst im Krankenhaus könnte allerdings nicht nur geistig-seelische Qualitäten, Gedanken und Weltbilder aktivieren und verändern. Als sehr wirksames und als direktes Hilfsmittel kann sie dort, wo ein spezifischer Lernprozess ehemals selbstverständlicher Fertigkeiten und Fähigkeiten angesagt ist, als Sinnesreiz hilfreich sein.
UNTERSTÜTZENDE KUNST - DER „BASAL-ZYKLUS“
Im Unfallkrankenhaus der Stadt Klagenfurt wurde im Jahre 2001 an der Intensivstation ein Basal-Zyklus (Karlheinz Simonitsch: Basalzyklus, 6 Tafelbilder in Glasschmelztechnik) in hinterleuchteter Glastechnik ausgeführt.
Die Vorgabe, dass an dieser Station sehr beeinträchtigte Unfallpatienten, mit einer durchschnittlichen Liegedauer von 6 Monaten, sukzessive ihre Sinne neu „programmieren müssen, führte zur Konzeption von Glasbildern, die im Plafond im idealen Sichtwinkel angebracht wurden.
Diese Gestaltung erzeugt nebenbei eine sehr angenehme Stimmung in der ansonsten hochtechnisierten und sterilen Raumsituation. Ihrer Funktion gemäß sind sie inhaltlich nach Schwierigkeitsgraden entwickelt: Einfache Grundformen, wie Kreis und Quadrat, steigern allmählich ihren Wahrnehmungsanspruch bis hin zu komplizierten Formen der Natur.
Diese „Erinnerungsbilder können ausgetauscht werden, um einerseits eine angepasste Reizsetzung aufrecht zu erhalten und andererseits den unbewegt in Rückenlage verharrenden Patienten die Langeweile zu verkürzen.
KUNST UND ARCHITEKTUR
Die geistige Nähe der modernen Baugesinnung zur modernen Kunst ist dabei unübersehbar...Die revolutionären Gedanken für Technik, Kunst und Architektur unserer Zeit basieren vielfach auf gleichen oder verwandten, fundamentalen Grundsätzen. [5]
Die Kunst der Gegenwart, im Konkreten die Moderne und die Post-Moderne, kümmert sich um die Industrialisierung, den Fortschritt, geißelt die mediale Bilderflut, schafft neue An-schau-lichkeit, verlässt den erzählerischen Aspekt und neigt zu Fund- und Wegwerfbildern. Letztendlich greift sie epi-gonal und spielerisch auf alte Traditionen und Stilmittel zurück. Somit zeigt sich Kunst als Ergebnis in der Spannung zwischen Können und Künstlich.
Gleichzeitig drückt sie eine gewisse Orientierungslosigkeit aus: everything goes bedeutet Offenheit in alle Richtungen. Dieser Stil- und Denkpluralismus führt auch zu Ratlosigkeit seitens der Betrachter. Die Qualität von Kunst ist kaum messbar, Künstler und Architekt setzen sich als Gestalter im öffentlichen Raum der Kritik aus.
Letztendlich ist diese selbst vom Zeitgeist bestimmt: Ungewohnte, einst massiv kritisierte Kunstprodukte werden nicht selten in der Nachbetrachtung als stilprägend und epochal empfunden. Ars longa - vita brevis. Dieser Forderung beziehungsweise Mahnung des griechischen Arztes Hippokrates, dass die Kunst das Leben überdauere beziehungsweise zu überdauern habe, könnte als Qualitätsmerkmal von Kunst herangezogen werden.
Der Kunst-Handwerker früherer Kulturen (etwa in der altorientalischen Kultur der Ägypter) begegnet uns bis in die Gegenwart (vergleich dazu: Wiener Werkstätten), wenn auch im Sinne der Spezialisierung auf mehrere Personen verteilt: im hand-begabten Künstler und dem fachkundigen Handwerker. Eine symbiotische Arbeitsgemeinschaft dieser beiden ist möglicherweise immer noch Garant für eine zumindest „haltbare“ Kunst.
Bauen greift in unseren Lebensraum ein, Architektur orientiert sich am unmittelbaren Gebrauchswert des gestalteten Objekts, das Haus dient seit je her als Schutz vor den Elementen, religiöse Vorstellungen und Totenkulte prägen sakrale Bauvorhaben. Kunst und Architektur hängen im wesentlichen von subjektiven Empfindungen ab: Proportionen, die verwendeten Materialien, Licht und Farbe dienen beiden.
Die inhaltliche beziehungsweise formale Aussage erschließt sich aus dem vorherrschenden Weltbild. Einflussgrößen wie Religion, etwa bei Kultbauten, Philosophie, Tradition, Ästhetik und Künstlerpersönlichkeit, nicht zu vergessen die Interessenslage von Auftraggebern und Gesellschaft bestimmen Form und Inhalt.
Kunst am Bau und Architektur sollten dem Menschen gerecht und sorgfältig ausgeführt werden, da sie einerseits eine große Betrachtergruppe erreicht und andererseits die Benutzer sich diesen Produkten kaum zu entziehen vermögen. Zudem ergänzt und steigert sie die architektonische Wirkung und trägt zugleich zur Ästhetisierung unserer Umwelt bei.
Als Plastik stellt das „Environment (engl.: Umgebung) eine Sonderform dar: Wir verstehen darunter Räume, die mit Mitteln der Architektur und Plastik, der Malerei und oft auch unter Zuhilfenahme von Geräuschen und Gerüchen gestaltet sind. [6]
Das Schaffen eines „Erlebnisraumes im Zusammenspiel von Architektur und Kunst, in der sich der Betrachter frei zu bewegen vermag, greift auf alte archaische Bau-Kunst-Muster zurück.
Dieser „Erlebnisraum“ könnte Grundmuster einer gezielten Gestaltung von Einzelbereichen in „Gesundenhäusern“ sein. Ansätze dazu zeigen die unter dem Thema „Krankenhaus und Kunst“ im Deutsch-Ordensspital Friesach in Kärnten verwirklichten raumgestalterischen Projekte.
Sie folgen, wie sich zeigen wird, der Erkenntnis, „daß das Lebensglück vorwiegend im Genusse der Schönheit gesucht wird, wo immer sie sich unseren Sinnen und unserem Urteil zeigt, der Schönheit menschlicher Formen und Gesten, von Naturobjekten und Landschaften, künstlerischen und wissenschaftlichen Schöpfungen...Der Genuss an der Schönheit hat einen besonderen, milde berauschenden Empfindungscharakter.“[7]
Der wesentliche Aspekt, die Nüchternheit von Funktionsbauten aufzugeben und den „Bewohnern, hier im Konkreten vornehmlich den Patienten, ein entsprechendes Ambiente zu bieten, mündete in der Überlegung, eine interdisziplinäre Zusammenschau zu forcieren.
Die Umsetzung dieser Idee wurde im Deutsch-Ordens Spital Friesach im Zeitraum von 1989 bis 2001 unter der Führung von Primarius Dr. Georg Lexer und unter der Patronanz von Hochmeister Dr. Arnold Wieland konsequent im Sinne einer Neuorientierung entwickelt: Zukunftsweisende Überlegungen gepaart mit bewährten traditionellen Richtigkeiten sollten neue Strukturen hervorbringen.
Das „Gesundenhaus könnte der Vergangenheit verhaftet bleiben, zugleich müssten adäquate Methoden für eine sich rasch ändernde Zeit mitbedacht werden. Diesen Anspruch verwirklicht die angestrebte Symbiose von einem „hotel dieu, eingebettet in eine sinnvolle Spiritualität, ergänzt durch Kunst als Hilfsmittel und das Angebot modernster medizinischer Technik im Zusammenwirken mit additiven Heilmethoden.
Diese Organisationsstruktur sucht nach effizienten Behandlungsformen im Sinne einer ganzheitlichen Denkweise, die den Menschen in seiner ganzen Existenz erkennt und alles Mögliche einbezieht, um die Konflikt- und Bedrohungsphase zu minimieren und die angestrebte Heilung zu erreichen.
Wesentlicher Aspekt jedes Aufenthaltes in einem Krankenhaus ist die unmittelbare Erfahrung des Patienten, aus seinem gewohnten Lebensbereich heraus gerissen zu werden und auf eine be- oder unbestimmte Zeitdauer in einem zumeist angstbesetzen Umfeld leben zu müssen.
Aufgabe der Architektur und der Kunst ist es, die Grenze zwischen „Draußen und „Drinnen möglichst verschwinden zu lassen. Das die Heilung fördernde Wohlbefinden des Patienten setzt entsprechende räumliche Gegebenheiten, unter anderen Sozial- und Kommunikationsräume, Erholungsbereiche, und die Konfrontation mit gewohnten Lebensinhalten, wie kulturelle Veranstaltungen, mediale Angebote, spirituelles Erleben, voraus.
Eine Bedürfnisanalyse bei Patienten brächte als Nenner: Angstreduktion während des Aufenthalts im Krankenhaus, denn der Kranke möchte in seinem nicht freiwillig gewählten Umfeld vorerst „gut aufgehoben sein. Gleichbedeutend mit den ersten sozialen Kontakten bestimmt das Ambiente die Gefühlslage des Patienten.
Der vorherrschenden Irritation, hervorgerufen durch den ungewollten Ortswechsel, verbunden mit seinem Krank-Sein kann durch an-und entsprechende Architektur begegnet werden. Gelingt es zudem, dem Kranken bekannte äußere „Muster zu präsentieren, wird sein Wohlempfinden gesteigert werden. Im Deutsch-Ordens Spital Friesach wurde derlei Überlegungen begegnet: Zum Beispiel verlieren Patientenzimmer ihren typischen Krankenhauscharakter, wenn deren räumliche Konzeption, die Auswahl und Anordnung des Mobiliars und die unterstützende Farb- und Lichtgebung einander ergänzen, ohne dass funktionelle Überlegungen dabei vernachlässigt werden.
Der Patient bewohnt ein großzügiges Hotelzimmer, Assoziationen zu positiv Erlebtem sind erwünscht, und findet dessen Steigerung am an das Zimmer angeschlossenen Balkon-Ensemble, das den Blick in die unmittelbar angrenzende Natur freigibt. Der Kranke begegnet bei seinen Therapiewegen „Ruheplätzen, die als Inseln zum Verweilen einladen und von Kunst atmosphärisch mitbestimmt werden. Um das Haus laden Parkanlagen zu Spaziergängen ein, Kräutergarten und Teich vermitteln Impressionen, Lichtkuppeln erhellen reichliche Vegitation auf Marmorgängen.
Der Patient sitzt entspannt im hauseigenen Cafe oder begibt sich unter Arkadenbögen in die Mensa, fern der üblichen bedrohlichen und kommunikationsfeindlichen Bett-Ess-Situation. Zudem öffnet sich das Haus der Außenwelt, verhindert somit hermetische Abgeschlossenheit: Das Krankenhaus ist Teil einer urbanen Struktur.
Kulturelle Veranstaltungen in der „Halle der Begegnung sind der Namensgebung entsprechend allen, den Patienten, den Besuchern und den Bewohnern der Stadt zugänglich. Ein Miteinander ist erwünscht. Der Besuch des Hauses, ob anlässlich einer Lesung oder eines Konzerts, einer Ausstellung oder Seminars steht allen Menschen offen. Eine fix installierte Galerie präsentiert nach gut besuchten Vernissagen periodisch Werke verschiedenster Künstler.
Das Ziel, ein "Open-House" zu sein, festigt entscheidend eine Wir-Mentalität beziehungsweise be- und verhindert Isolation und Stillstand. Der Patient lernt an diesem Ort nicht nur neue (Über-) Lebensstrategien, sondern wird möglicherweise auch zum Praktizieren neuer Sichtweisen angeregt und könnte be-reich-ert in seine private Welt entlassen werden, um in dieser künftig ähnlichen Erlebnissen nachzuspüren.
Offensichtlich und für Patienten und Besucher unmittelbar wahrnehmbar waren der bauliche Wandel und die damit verbundene Kunstpräsentation, die vorerst auf die neu errichtet „Halle der Begegnung konzentriert war. In dem von einer Glaskuppel überspannten mittelalterlichen Arkadeninnenhof ist seit der Eröffnung im Jahre 1993 ein Lebensweg als Bilderzyklus frei schwebend ausgestellt.
Wesentliche Problemstellung bei Kunst im Krankenhaus ist die inhaltliche Fixierung. Im Wesentlichen stellen sich die Fragen, was dem Patienten zumutbar sei beziehungs-weise was Kunst als Beitrag zur Verbesserung seines Zustandes leisten könne. Als gesichert kann gelten, dass die Konfrontation mit Inhalten zu positiven Auseinander-setzungen führen sollte. Daraus abzuleiten, nur eine vielenorts gezeigte behübschende oder sich selbst dienende Kunst sei geeignet, dürfte unrichtig sein.
Die Anforderung, mit Kunst im Krankenhaus möglichst viele Menschen verschiedenen Alters, unterschiedlichster Bildung und oft aus konträrem Milieu stammend; „treffen zu wollen, prägt Inhalt und Form, erzwingt eingehende Auseinandersetzung in Bezug auf die Präsentation bis hin zu sicherheitstechnischen Überlegungen.
Kunst müsste, um diesen Vorgaben zu entsprechen, unmittelbar und möglichst allgemeingültig sein. Verständnis setzt eine direkte und klare Information voraus und könnte auf schon bekannte und verinnerlichte „Geschichten zurückgreifen. Eine individuelle Identifikation des Betrachters mit den Motiven ist dann zu erwarten, wenn die Bildinhalte Beziehungen zu Selbsterlebtem herzustellen vermögen beziehungsweise wenn Farbgebung und inhaltliche Details an Bekanntes und Vertrautes erinnern oder möglicherweise mit unbewussten inneren Bildern korrelieren.
Bild und Betrachter müssen miteinander in derselben „Sprache kommunizieren können. Die Bilder sollten Inhalte artikulieren, die für den Betrachter aktuell und überlegenswert sind. Ferner sollte Kunst eine Assoziationskette anregen, als Impuls wirken. Unpassend wäre eine zu offensichtliche Dominanz im Sinne einer enthobenen und übersteigerten Selbstdarstellung von Kunst. Der Betrachter müsste die Möglichkeit erhalten, sich der Präsentation in entspannter Atmosphäre, seinem Rhythmus entsprechend, nähern zu können.
Dieser Überlegung entsprechend entstanden die „Halle der Begegnung und der dafür als Dauerausstellung konzepierte Lebensweg (Karlheinz Simonitsch: Weg des Lebens: aus dem Licht in das Licht,14 Tafelbilder in Öltechnik,1989/1993). Die zyklisch an einander gereihten „Lebensbilder eröffnen mehrere Deutungsebenen. Das bekannte Kreuz-Weg-Motiv gilt als Grundmuster. Inhaltlich der speziellen Lebenssituation der Kranken angepasst, geben sich die Bilder zudem als Krankheitsweg(vergleich dazu etwa das Tafelbild V: „Fallen/Visite) zu erkennen.
Die Bildtafeln offenbaren somit ihre allgemein gültige Dimension, weshalb eine schnelle Identifikation trotz Verfremdungseffekt gewährleistet ist. Dieser Umstand wird dadurch gesteigert, dass allgemein gültige Lebensinhalte (wie „Last tragen“, „Sich annehmen“, „In Trauer da-bei-stehen“) transportiert werden und der „Held“, vornehmlich anonym dargestellt, mittels seiner Körpersprache existenzielle Lebenserfahrungen signalisiert. Das „Erzählte“ läuft gleich einem „Lebensfilm“ folgerichtig ab.Die Bildtafeln offenbaren somit ihre allgemein gültige Dimension, weshalb eine schnelle Identifikation trotz Verfremdungseffekt gewährleistet ist. Dieser Umstand wird dadurch gesteigert, dass allgemein gültige Lebensinhalte (wie „Last tragen“, „Sich annehmen“, „In Trauer da-bei-stehen“) transportiert werden und der „Held“, vornehmlich anonym dargestellt, mittels seiner Körpersprache existenzielle Lebenserfahrungen signalisiert. Das „Erzählte“ läuft gleich einem „Lebensfilm“ folgerichtig ab.Die Bildtafeln offenbaren somit ihre allgemein gültige Dimension, weshalb eine schnelle Identifikation trotz Verfremdungseffekt gewährleistet ist. Dieser Umstand wird dadurch gesteigert, dass allgemein gültige Lebensinhalte (wie „Last tragen“, „Sich annehmen“, „In Trauer da-bei-stehen“) transportiert werden und der „Held“, vornehmlich anonym dargestellt, mittels seiner Körpersprache existenzielle Lebenserfahrungen signalisiert. Das „Erzählte“ läuft gleich einem „Lebensfilm“ folgerichtig ab.
Die malerische Thematik führt zur gewünschten Auseinandersetzung mit dem Thema Krankheit und Tod. Themen, die in unserer Welt ständig präsent sind, allerdings als vermeintliche Bedrohung allgemein mittels Verdrängungsmechanismen verleugnet werden.
Der Betrachter sollte seinen Lebenszustand im Zyklus orten und zur Erkenntnis gelangen, dass sein Lebensstadium in einen Lebenszyklus eingebettet ist, der selbst bei widrigen Lebensumständen weder eine Katastrophe noch ein Ende kennt.
Die erwünscht positiven Rückmeldungen seitens der Patienten und der Besucher bestärkte die Mitglieder der „Ideenwerkstätte“ die Erneuerung fortzusetzen. Für den kreisrunden, mehrstöckigen Neubau, dem „hotel dieu“, entstand ein siebenteiliger Bilderzyklus in Mischtechnik: Das Lied der Liebe.(Karlheinz Simonitsch: Das Lied der Liebe, Bilderzyklus in Mischtechnik, 800/220,1995/96).
Dessen Präsentation erfolgte 1996 mit der Uraufführung des Musikzyklus Das Hohelied Salomonis des Kärntner Arztes und Komponisten Günter Mattitsch. Von alttestamentarischen Texten ausgehend, wurde das Thema „Liebe“, die Begegnung und Annäherung von Mann und Frau, in intensiver Zusammenarbeit der beiden Disziplinen ausgeführt. Besondere Wirkung erlangte diese Kunstschau dadurch, dass einzelne Bildteile in choreografischer Abgestimmtheit mit der Musik und den dazugehörigen Textpassagen beleuchtet wurden.
Die Besucher hörten die von den Stimmen und den eigens gebauten Instrumenten (Okarinen) getragene Musik und erlebten dazu die „Farb-Klänge“ unter der nächtlichen Kuppel. „Mit viel Aufwand und Liebe zum Detail hat sich Simonitsch in das Projekt eingebracht. Umfangreiche Quellenstudien und die reich verzweigten künstlerischen und geschichtlichen Bezüge zu diesem Thema sind in sein Schaffen eingeflossen.
Mit äußerster Akribie geht er ans Werk, legt Wert auf die Einarbeitung verschiedener Materialien, um sich dann auf der inhaltlichen Seite von der Großflächigkeit ins Detail vorzuarbeiten. Was sich an möglichen Polaritäten findet, wird von seiner Philo-sophischen und geistigen Auseinandersetzung ergriffen und dem großen Entwurf einverleibt.“[8]
Die biblische Vorlage aktualisiert das Thema Annäherung und Liebe, ermöglicht viele unterschiedliche Lesearten. Deutlich wird dies: Die Liebe ist ein Weg, nicht so sehr ein Zustand oder eine Befindlichkeit. Der Zyklus liefert dem Betrachter Einblick in die Genesis, hinterfragt des Menschen dualistisch orientierte Existenz, dessen Liebesfähigkeit und die kosmische Kraft der Liebe.
Ebenso klingt das Thema „Ganzheit“ an, das im Wort „heil“ (bedeutet: unverletzt) seine Entsprechung findet. Der Kranke, der durch Krankheit sein Ganzes unfreiwillig aufgibt, strebt nach seiner seelisch-geistig-körperlichen Harmonie. Er sucht danach, wieder mit sich „Eins“ zu werden, das in und durch Krankheit „Entzweite“ zu vereinen.
Eine interdisziplinäre Zusammenschau der Künste im Sinne der Selbstfindung und der „Verwandlung“ bzw. ein spiritueller Ansatz dürfte nicht nur in einem Ordensspital angebracht sein. Ein intellektueller Impuls könnte überall dort Einfluss nehmen, wo ein psycho-physischer Konflikt einer geistigen Neuorientierung bedarf.
Dem entsprechend wurde für die Patienten in Friesach ein Patientenpass (Karlheinz Simonitsch: Patientenpass, Texte und Bilder, 20 Seiten, 1996) konzipiert, der informativ Patient und Arzt als Datenbank zur Verfügung steht. Vor allem ist er aber als „Begleitlektüre“ der geistigen Erbauung dienlich: Lyrik und Prosatexte, durchwirkt von thematisch abgestimmten Bildern, umkreisen Lebensthemen von der „Liebe“ bis zur „Verwandlung“. Zugleich wird mittels Texten Bezug zum Lebensweg-Zyklus in der „Halle der Begegnung“ hergestellt.
Die folgerichtige Konsequenz der Neugestaltung des Krankenhauses mündete schließlich in der Errichtung eines Neubaus, der „Naturheil-Klinik“ ab dem Jahre 1998 – der ersten Einrichtung dieser Art in Österreich.
Symbolisches Grundmuster war und ist ein „Schneckenhaus“, wobei dieser Neubau für additive Medizin mit einem Verbindungsgang zum Haupthaus architektonisch verbunden dennoch seine Eigenständigkeit bewahrt. Dieser sichtbaren baulichen Struktur entspricht das wahre gegenwärtige Neben- und Miteinander der unterschiedlichen medizinischen Möglichkeiten.
Die künstlerische Gestaltung versucht einem weltlichen und einem spirituellen Bereich gerecht zu werden. In zum Teil neu entwickelten Techniken wird thematisch vornehmlich der Genesis nach gespürt.
Die zentrierte „Säulen-Halle“ ist Mittelpunkt des täglichen Lebens. Dieser Rundbau folgt archaiischen Strukturen – gleich einem klassischen Tempelbau umfangen die mit Keramikschmuck versehenen Säulen die Grenzbezirke der Architektur.
Die künstlerische Gestaltung wird von einem Genesis-Fries (Karlheinz Simonitsch: Glaszyklus in Schmelztechnik, 24m/1,2m, 1999/2001) dominiert. In ihm sind „Erde, Feuer, Wasser, Luft, in der gläsernen Vorderfront integriert und zu einem grafisch strukturierten, symbolbehafteten irisierenden Band aus Glasfenstern verdichtet, das sich je nach Lichteinfall, Blickpunkt und Hintergrund wandelt und in direkten Dialog mit der Natur und dem Betrachter tritt. Keine sakrale Unantastbarkeit bestimmt das Glas, keine diffusen Inhalte verwirren das Auge.“ [8]
Der spirituelle Bereich, Mittelpunkt der Selbstfindung, entfaltet sich vor allem in der Genesis-Kapelle, die architektonisch und künstlerisch am deutlichsten dem Prinzip der „Metamorphose“ folgt. Dieser Raum ist mittels geringer Umbauten verwandelbar, kann als Vortragsraum (moderne mediale Mittel sind installiert), als Meditationsraum und Kapelle genutzt werden. Als “Multi-Funktionsraum“ bietet er in sämtlichen Funktionen ein gefühlvolles Raumerleben und suggeriert Schutzcharakter.
Die Einheit von Natur und Kapelle, die gegenseitige Einflussnahme der einzelnen künstlerischen Darstellungen mit der unmittelbaren Natur im Tages- und Jahresablauf, galt es zu nützen und wo immer möglich zu steigern. In der Kapelle werden Teile einzelner Objekte „je nach Raumposition oder Blickwinkel freigegeben.
Der Betrachter wird über die „Schöpfungsfenster“ zum Thema „Wasser“ bei der Kreuzdarstellung „Erlösung I“ geführt und von dort zum „Lebens-Baum“, der als Säule zwischen den Welten steht. Diese Metamorphose wird im Garten fortgesetzt. Hier manifestiert sich der Jahresablauf der Natur.“[9]
Die Steigerung der Wirksamkeit einzelner „Objekte“ wird unabhängig von sich stets ändernden Lichtverhältnissen im Tagesablauf auch nachts durch Beleuchtung gesteigert. Sowohl die Innenbeleuchtung einzelner Objekte als auch die Beleuchtung der Oberfläche forcieren die „Sichtweise“ und erlauben, den Raum gewünschte Stimmungen anzupassen.
Außer diesen „Lichtspielen“ bewirkt die durch Wind bewegte Natur vor den Fenstern „Bewegungsbilder“ in Glas, indem die farbigen Glasflächen die Natur integrieren: „Draußen im Garten passiert etwas Sonderbares; man schaut zurück zu dem Kreuz, das sich durch eine Glas-Keramik-Rinne verlängert und der Raum ufert aus und beginnt mit der Umgebung zu verschmelzen. So als wäre das Artifizielle Teil des Natürlichen und umgekehrt. So als würden die Ströme des Lebens in die Kunst fließen und aus der Kunst wieder ins Leben zurück.“[10]
Der baulichen Besonderheit angegliedert zeigt sich ein neu geschaffener Klostergarten, dessen Betreuung hauptsächlich den Patienten zugedacht war. Überhaupt ordnet sich die architektonische und künstlerische Konzeption den künftigen Patienten bestmöglich unter: Der „alternative Patient“ und der sogenannte „Schwerkranke“ sollten hier ihr „Gesundheitshotel“ vorfinden, sie könnten hier inmitten der Natur ihre Wegemöglichkeiten wahrnehmen, erlernen oder gemäß des Hospizgedankens.
würdig zu Ende gehen. Die den Patienten auf Schritt und Tritt begleitende Kunst in unterschiedlichster Ausprägung müsste anregend, tröstend, wo nötig hintergründig unterstützend beziehungsweise sinnvoll und funktionell „erscheinen“. Die Gestaltung orientiert sich vornehmlich am Werden und Vergehen der Natur, mahnt den Betrachter, sich selbst diesem Lebensprinzip an zu vertrauen, zeigt ihm, dass jedweder Zustand, demgemäß auch Krankheit, veränderbar ist und auch negative Lebensphasen als vorübergehende Stadien dem Lebensprinzip der Metamorphose unterliegen.
[1] Freud A., Grubrich-Simitis 1: Hrsg (1978) Sigmund Freud, Werksausgabe in zwei Bänden. Bd. 2: Anwendung der Psychoanalyse. Bertelsmann, Gütersloh, S. 379.
[2] ebenda, Bd. 1: Elemente der Psychoanalyse, S.462.
[3] Ronacher H.: Architektur und Zeitgeist. Klagenfurt: Heyn, S. 7.
[4] ebenda, S. 463.
[5] ebenda, S. 7.
[6] Dabringer W., Figlhuber G.: Kunst. Braumüller, Wien (1994), S. 164.
[7] ebenda, S. 381.
[8] Kastner S.: Begegnung mit der Malerei. Brücke, Kulturzeitschrift 4/1996, S. 26.
[9] Lino I.: Krieger des Lichts. Brücke, Kulturzeitschrift 10/2001, S. 31.
[10] Ogris G.: Im Wandeln sich selbst wandeln.
Kärntner Kirchenzeitung, Ausgabe September 2001, S. 23.
[11] ebenda, S. 32.
Evelyn Simonitsch-Kanduth
Feschnigstrasse 64, 9020 Klagenfurt
+43 - 650 346 5292
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!