In streng-klassischer Linienführung erhebt sich ein ca. zwei Meter hoher Turm in Roststruktur, gleich einem rotbraunen „watch-tower“ ehemaliger Konzentrationslager nationalsozialistischer Zeit.
Diese durch vier Ecksäulen bestimmte „Außenform“ hält in ihrem Dahinrosten eine „Innenform“ gefangen.
Die symbolische Aussage entspricht der Materialwahl: Das „Eherne“, also Eisen und Stahl, prägt die im Objekt angesproche Zeit (1933 – 1945), wobei sowohl das Material als auch die damit verknüpfte Ideologie im Zeitengang unbrauchbarer Abfall der Geschichte wurden.
Hingegen nicht aus den Augen zu verlieren ist das zierliche, blanke eingeschlossene Innere. Ins Zentrum gerückt erhebt sich eine dreieckige stilisierte Figur. Auf diesem silberfärbigen Corpus „ruht“ der abgetrennte Mädchen-Kopf als Totenmaske einer anderen Welt entgegen.
Das Hinterhaupt ist, wie es unzählige dokumentierte „Eingriffe“ belegen (vergleich dazu: Spiegelgrund, Wien), geöffnet. Indiz für pseudowissenschaftliche Versuche am Menschen. Hier geschlossen durch reliefartige Glasschichten, die einen Einblick zugleich ermöglichen und auch behindern. Die über dem Kopf angebrachten Wellenstrukturen aus färbigem Glas zeigen wohin die Lebensbahn führen könnte, wohin das loslassen vom Irdischen zielt: Möglicherweise nach dem Durchschreiten einer kurzweiligen Dunkelkeit hin zum hellen sphärischen Raum – letzter „Zufluchtsort“ auch für das tote Mädchen, für das „Reichsausschusskind“.
Diesem Geheimnis nachspürend, verwandeln sich die blauen und dunklen Wasserstrukturen in Wellen der Helligkeit.
Der in Holzrelief ausgeführte Engel, diese traditionelle Metapher für Schutzwesen, hier Symbol für die institutionalisierte Fürsorge (NSV), ist seitlich zwischen zwei Pfeiler der Außenform gespannt. Er ist Teil der (nationalsozialistischen) Außenform, dient der Ideologie: Mit geschlossenen Augen steht er starr in stoischer Abwehr abgekehrt vom toten Mädchen, „sieht“ nicht das mitverschuldete tragische Geschehen.
In seinem Wegsehen verändert sich in der angegebenen Zeit von 1933-1945 seine ureigenste Struktur:
Ein dunkles Glasband verändert und schnürt seinen Körper, während zuvor und danach sein Äußeres das Helle bestimmt.
AUSSAGE
Das „Reichsausschusskind“ (er-)steht als Mahnmal für unzählige und unerträgliche Schicksale. Das tote Mädchen ist StellvertreterIn der „Vielzuvielen“, die im Nationalsozialismus einer grausamen und unmenschlichen „Maschinerie“ hilflos ausgesetzt, ihres Lebens beraubt wurden.
Dieses Kind „steht“ im Zentrum, ihm gilt die Aufmerksamkeit und Zuwendung. Sein (sinnloser) Tod führt zur (An-)Klage. Die besondere und „dienende“ Position der Fürsorge zu dieser Zeit, die sich den Tätern und nicht den Opfern verpflichtet fühlt, bedarf einer entsprechenden Auseinandersetzung.
Gegenwartsbewältigung ist nicht ohne Vergangenheitsbewältigung möglich.
Klagenfurt, Oktober 2006
Evelyn Simonitsch-Kanduth
Feschnigstrasse 64, 9020 Klagenfurt
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